„Die Zeit rennt mir davon“ - hört man ja oft. Aber wie macht sie das und wo rennt sie hin? Vielen von uns ist zu wenig bewusst, dass wir die Zeit selber gestalten können. Bei Bedarf langsamer machen und auch beschleunigen. Letzteres ist meist gar nicht in unserem Sinn.

Drei Dinge helfen uns, unsere Zeit-Räume selber zu gestalten:
Konzentration
FLOW und
Rhythmus.

Wenn ich gehe, gehe ich - Konzentration
In einem Seminar verteilte ich Apfelviertel und forderte die Teilnehmenden auf, sie ruhig schon mal zu essen, während ich die nächste Einheit erläuterte. Happs, waren die Viertel verschwunden.
Anschließend verteile ich noch einmal Apfelviertel mit der Aufgabe, dies so lange zu kauen, bis es nichts mehr zu kauen gab, darauf zu achten, wie der Geschmack sich veränderte und darauf, wie sie selber sich fühlen.
Ein Mann ist mir besonders im Gedächtnis: er hatte sich eingeführt damit, immer in Bewegung zu sein und mehrere Projekte auf einmal laufen zu haben. „Ich habe mich seit Jahren nicht mehr so ruhig gefühlt und noch nie den Geschmack eines Apfels so wahrgenommen.“

Zugegeben wir haben es schwer. Unsere Multitaskinggesellschaft und unsere hektischen Arbeitsplätze verlangen mal eben den Blick in die Mails und aufs Handy, mal eben etwas abzusprechen oder nebenbei Kinder zu erziehen, die man/frau gerade bekocht.
Jedes Mal springt unser Kopf in eine andere Realität und damit nimmt die Zeit Geschwindigkeit auf – je mehr wir parallel machen, desto schneller rennt sie uns – davon. Denn wo soll sie denn hin, wenn wir auch nicht mehr konzentriert und bei uns sind?
Eigentlich sind wir es, die rennen.

Ein in Meditation erfahrener Mann wurde einmal gefragt, warum er trotz seiner vielen Beschäftigungen immer so gesammelt sein könnte. Er sagte:
Wenn ich stehe, dann stehe ich.
Wenn ich gehe, dann gehe ich.
Wenn ich sitze, dann sitze ich
Wenn ich esse, dann esse ich.
Wenn ich spreche, dann spreche ich.

Da fielen ihm die Fragesteller ins Wort und sagten: Das tun wir auch, aber was machst du noch darüber hinaus?
Er sagte wiederum: Wenn ich stehe, dann stehe ich.
Wenn ich gehe, dann gehe ich.
Wenn ich sitze, dann sitze ich
Wenn ich esse, dann esse ich.
Wenn ich spreche, dann spreche ich.

Wieder sagten die Leute: Das tun wir doch auch.
Er aber sagte zu ihnen: Nein,
wenn ihr sitzt, dann steht ihr schon;
wenn ihr steht, dann lauft ihr schon;
wenn ihr lauft, dann seid ihr schon am Ziel.
Ein ZEN-Mönch aus: ZEIT. Ein Geheimnis wird hinterfragt.)

Mit Begeisterung zu Höchstleistungen fliegen - FLOW
Es ist der Mann mit dem unaussprechlichen Namen Mihaly Csikszentmihalyi (Trick von Nobelpreisträger Kahneman, merken Sie sich Six-Cent Mihali), dem wir den Begriff FLOW verdanken. Was meint das?
Es ist eine Mischung aus Freiwilligkeit, der Machbarkeit realistischer Ziele und der Aktivierung der eigenen Potentiale. Zusammen bewirken sie, dass wir unsere Fähigkeiten optimal aktivieren und bündeln und das als Genuss empfinden.
Flow – das ist die „optimale Erfahrung“ und ereignet sich „ „gewöhnlich, wenn Körper und Seele eines Menschen bis an die Grenzen angespannt sind, in dem freiwilligen Bemühen, etwas Schwieriges und Wertvolles zu erreichen.“ Beim optimalen Zustand herrscht „Ordnung im Bewusstsein“ und da sind wir wieder bei der Konzentration. Da bietet sich GZSZ nicht an – außer wir leben sie selbst.
FLOW hat zu tun mit einer Entscheidung und mit dem richtigen Zeitpunkt. Wenn Menschen nicht nur im Betrieb, sondern in ihrem Leben in die innere Emigration gehen, sich also von den Dingen, Tätigkeiten und Personen, die sie umgeben, verabschiedet haben, kostet es unglaublich Energie, dort weiter präsent und aktiv zu sein und die Zeit gerät aus den Fugen. Wenn das Leben erst nach 17 Uhr beginnt, kann die Zeit davor lang werden. Auch wenn sie uns wegen Mehrfachbelastung davonzurennen scheint.
Um es mal mit einem Bild aus der Reiterei auszudrücken? Wie soll das Balance, Losgelassenheit und Schwung entstehen?

Walzer, Rumba oder Jive – im eigenen Rhythmus durchs Leben tanzen
Je genauer wir unseren eigenen Rhythmus kennen, desto besser können wir in unserem Takt bleiben. Morgen- oder Abendmensch, spritzig oder gelassen getaktet, hohe oder flache Leistungsausschläge sind bspw. Indikatoren dafür.
Gleitarbeitszeit, die modernen Medien erleichtern es uns, in unserem eigenen Takt zu arbeiten oder Dinge zu erledigen, z.B. online zu recherchieren oder einzukaufen auch mitten in der Nacht. Gleichzeitig gibt es viele externe Taktgeber wie die Schule der Kinder, die Kontakte zu externen Kooperationspartnern oder auch die Übertragung des Fußballspiels.

Alles im Leben ist Schwingung, behauptete Einstein. Unser Herzschlag, der Lauf der Tag- und Nacht-Wechsel, die Jahreszeiten, die Sternenbahnen, ein Gedicht – alles hat seinen Rhythmus.

Die Kunst besteht darin, den Rhythmus zu finden zwischen An- und Entspannung, hoher Konzentration und absoluter Entspannung.

Ein weites Übungsfeld für ein gesundes Leben. Es lohnt sich, mit dem Üben zu beginnen. Fangen Sie mit dem nächsten Apfel an.

Seit mehreren Jahren biete ich Zeitworkshops oder Kurztrainings an. Es geht darum, Zeit zu gewinnen statt sie zu managen.